Gerade angekommen und akklimatisiert, erlebe ich meinen ersten Taifun in Japan, der mir die urwüchsige Kraft der Natur nahe bringt. Hier in der Präfektur Kanagawa, im lauschigen Städtchen Yugawara lebt sich’s gut nahe am Pazifik, dessen Brandungswellen in den Schlaf wiegen und am Morgen aufwecken. Jeden Morgen mit dem Sonnenaufgang kommen die ersten Surfer, um die Wellen zu reiten, doch mit dem herannahenden Taifun werden die Brandungstore an der Küstenstraße geschlossen. Mit der Dunkelheit wird der pfeifende Sturm stärker, im nahen Wäldchen wiegt und biegt sich der Bambus und von draußen hört man polternd Dinge durch die Luft sausen und hier und da aufschlagen. Gewaltige Wellen und das aufgepeitschte Pazifikwasser bringen mit den warmen, duftenden Windstößen einen einzigartig riechenden, leicht salzigen Regenschwall über das küstennahe Gebiet. Wir schließen die (Schub-)Läden an den zum Strand hinweisenden Fenstern, die an jedem Hause hier zum festen Inventar gehören, so wie sich die Bullaugen an einem Schiff verschließen kann – denn wie ein riesiges felsiges Schiff liegt auch das japanische Eiland vor dem asiatischen Festlandsockel. Per Telefonnachricht werden hiesige Einwohner darauf hingewiesen, doch besser zur Sicherheit in der nahegelegenen und für Katastrophenzwecke eingerichteten Elementarschule Schutz für die nächsten Stunden zu suchen.
Der Taifun tobt die ganze Nacht hindurch, doch am Morgen erwachen wir nach kurzem, unruhigen Schlummer bei Sonnenschein, das Wetter ist sommerlich warm und lädt zu einer Fahrradtour entlang der Küste ein. Auf einem ausgezeichneten Weg fährt man in der Präfektur Shizuoka auf einer Uferpromenade von Numazu aus 10 Kilometer vorbei am Berg Ashitaka bis nach Fuji (City). Entlang des Ufers ist alles durcheinandergewirbelt und überspült worden und der niedrige Baumbewuchs sieht aus wie vom salzigen Rasiermesser gerupft – die Pflanzennatur aber erscheint stärker und erblüht im grünen Kleide. Immer radelt man in Sichtweite des alles überragenden Fuji, eines wahrlich großartigen Vulkankegels, der sich häufig in Wolken hüllt und in den jahreszeitlichen Schwankungen gern mal ein Schneekleid trägt. „Der Ehrenwerte Herr Fuji“ – Fujisan – als „Vater Japans“ gepriesen und als Sitz shintoistischer Götter verehrt, inspirierte alle japanischen Generationen bis in unsere Zeit. Und mit fast 3800 Metern Höhe blickt der seit über 300 Jahren wieder ruhende Riese auf sein Land wie der legendäre Feldherr Takeda Shingen („Kagemusha“ Kurosawa). Im weiteren Umkreise finden sich viele Onsen (traditionelle Badehäuser über heißen Mineralwasserquellen – diese gehören zu den brillantesten Einrichtungen Japans), in deren Außenbereich man nicht nur das Quellwasser, sondern auch den Ausblick auf den Fuji genießen kann, bevor man den Abend in einer der unzähligen erstklassigen Restaurants ausklingen lässt.