Japan. Yoga ヨガ

„Was tun denn de Leut‘ hier, Dehnungsübungen?“

„Yoga“

„Moderne Gymnastik, so etwas wie Aerobic?“

„Yoga!“

„Oder dient es der Entspannung?“

„YOGA!!“

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„Taten reinigen den Körper, doch Wissen/Weisheit ist das höchste Ziel.“

– wird einem Weisen aus der hinduistischen Mythologie namens Kapila zugeschrieben. Der göttliche Krishna bezeichnet einen Kapila in der Bhagavad Gita/भगवद्गीता als Weisen unter den vollkommenen Wesen (10.26) und von indischen Yogī wird Kapila als einer der Urväter der Yogalehre angesehen. In diesem indischen Lehrgedicht (gītā – Lied, Gedicht, bhagavan – der Erhabene) über Götter und Menschen wird das Wort Yoga/योग – dessen Wurzel sich aus dem Verb anschirren/ins Joch binden herleitet – als Tätigkeit ohne Ziel verwendet (2.39). Yoga kann also sowohl zielloses Bemühen, als auch konzentrierte Geistesanstrengung umschreiben.

Von vielen im Westen beliebt gewordenen exotischen Moden aus Asien hat sich Yoga, besonders seit der Hippie-Bewegung und dem Indienausflug der Beatles mit der daraufhin prosperierenden TM-Bewegung (Transzendentale Meditation), wohl am umfangreichsten ausgebreitet. Indische Weisheitslehre und Meditation fanden allerdings nicht nur bei der Kolonialmacht Großbritannien, sondern auch unter deutschen Intellektuellen schon vorher eine Anhängerschaft, wie zum Beispiel Herder oder Schelling. Schopenhauer, der begeistert in den Upanishaden las, verknüpfte das Metaphysische von Indien kommend, über die ägyptischen Priester bis nach Israel, sodass letztlich im christlichen Glauben eine Mischung aus indischer Weisheit und jüdischem Theismus erkennbar sei.

Mit historischen Überlegungen freilich geben sich moderne Yogī nicht ab, wenn sie sich nach der Entrichtung einer entsprechenden Gebühr, umgeben von Weihrauchdüften und Sitar-Klängen, in gymnastischen Positionen oder in psychischer Meditation versuchen. Fernöstliche Gurus, asiatische Mönche und hinduistische „Heilige“ seien in der Lage zur Transzendenz in übersinnliche Welten – was immer solches sein mag. Und hat denn noch niemand vom großen indischen Seiltrick oder von heiligen Sadhu/साधु gehört, die tagelang in Yogaposition verharren ohne nach etwas zu verlangen? Bikram Choudry betont doch in seiner Yogalehre, dass wahre Yogī nicht essen oder schlafen müssen, dass sie niemals krank werden und nicht altern. „It’s all mind over matter.“ sagt er gern – oder meint er ‚money over mind‘? Immerhin gaben seine Jünger häufig mehr als 10000$ für einen zertifizierten Trainingskurs bei ihm aus. Allerdings existieren keine übernatürlich langlebigen Yogī, schon gar nicht in Indien (wer ein schönes und langes Leben sucht, dann eher hier in Japan, denn es hat mit hoher Lebensqualität und gesunder Umwelt zu tun), und wenn in einer winterlich schmuddlig-kühlen Metropole wie Berlin ein Yoga-Kurs wegen Erkältung des Yoga-Lehrers ausfällt, dann spricht das auch nicht für die herausragende Qualität seiner Gesundheit.

Zumindest aber sei Yoga doch gut dafür, den Stress abzubauen – oder nicht? Seit den achtziger Jahren des 20. Jahrhunderts stellen nun verschiedene Untersuchungen klar, dass Lichtnahrung nur zum Hungertode führt, dass es zur sog. Tiefenentspannung keiner fernöstlichen Esoterik bedarf und die Hirnströme, inklusive der in Meditationskreisen beliebten Alphaströme, zwischen den Personen, die sich einer Om/ॐ-Kontemplation oder einem schlichten Schläfchen hingeben, keinen wesentlichen Unterschied aufzeigen, dass es also keinerlei psychophysiologische Besonderheit durch Yoga oder etwas Vergleichbares gebe (Holmes Meditation and somatic arousal reduction; Shapiro Clinical and physiological comparison of meditation with other self-control strategies). Ebenso wie herkömmliche gute Gymnastikübungen Körper und Geist gleichwertig erfrischen können wie ein Bikram-Yoga-Kurs. Nun lassen sich aber mithilfe einer modisch zugeschnittenen Massenbewegung (wie gegenwärtig z.B. die selbsternannten „Klimaretter“ beweisen) sehr gute Geschäfte machen, auch hier in Japan und an vielen beliebten Urlaubplätzen, nicht nur entlang der asiatischen und amerikanischen Pazifikküste, sondern überall da, wo gutbetuchte Bürger nach Entspannung suchen. Im sonnigen Kalifornien hat auch Bikram sehr gute Geschäfte mit seinen mystisch-sportlichen Übungen machen können – jedenfalls solange, bis er sein Alleinstellungsmerkmal verlor und sich millionenschweren Klagen wegen sexueller Belästigung u.a. hat stellen müssen. In einer aktuellen Netflix-Dokumentation mit dem Titel „Bikram: Yogi, Guru, Predator“ berichten Journalisten und Anwälte sowie ehemalige Schüler und Begleiter Bikram Choudrys sowohl von den unterhaltsamen als auch von den grotesken, dunklen Seiten seines Charakters und einem auf Lügen aufgebauten Leben https://t1p.de/k6jz. Bikram ist wohl nicht nur ein cleverer Geschäftsmann, sondern auch ein amüsanter Schwätzer und begabter Aufschneider (Elvis Presley war mein Kunde; ich habe Richard Nixon mittels Yoga geheilt und daraufhin von ihm ein Dauervisum für die U.S.A. bekommen!).

Abgesehen von Israel spielt Yoga in der (islamischen) Welt Vorderasiens kaum eine Rolle, während Yoga-Kurse in den asiatischen Urlaubsorten von Ceylon bis Bali häufig auf die Bedürfnisse von Westlern direkt zugeschnitten wurden, die zwar ausreichend sportlich sind, aber nicht unbedingt ein gesundheitsbewusstes Leben führen, wie es auch unter Yogī mehr und mehr üblich wird. Natürlich wissen die Leute, was auf sie zukommt, wenn sie ein solches Studio besuchen, denn sie kennen die Abläufe schon aus heimischer Erfahrung und gehören sozusagen zur großen Yoga-Gemeinde, die man mit elitärer Gymnastik und Wissensfragmenten von ägyptischer Mythologie bis japanischem Zen begeistern kann – man sollte sich nur mal zu Gemüte führen, was bei diversen Online-Auftritten von Yogalehrern so von sich gegeben wird. Nicht besonders viele der Inder machen übrigens Yoga (bei den meisten lässt das ihre Alltagsprolematik auch gar nicht zu), doch gibt es viele westlich gebildete Inder, die Yoga mit indischem Vokabular verkaufen, da es viele Westler doch gern als Zutat zu ihrem New-Age-Lifestyle nutzen. In der abendländischen Kultur steigen seit dem Verfall von traditionellen Glaubensrichtungen, Bildung und dem Aufstieg von Pseudoreligionen wie Sozialismus oder Ökologismus die Chancen für Scharlatane, esoterischen Klimbim zu verkaufen (vgl. dazu Zinser Der Markt der Religionen). In welcher westlichen Großstadt wird heutzutage kein Bikram-Yoga, Hot-Yoga o.ä. angeboten? Ayurveda- und Yoga-Fans sind gewissermaßen die bevorzugte Zielgruppe indisch angehauchter Lifestyle-Esoterik. In Japan steht allerdings tatsächlich sportliche Leistung im Vordergrunde, denn die Japaner – und das gilt nicht nur für Yoga – sind misstrauisch beim Geldausgeben, sie zahlen gern viel Geld, wenn sie dafür eine gute Leistung erhalten. Die japanischen Yogalehrer sind nicht zimperlich und fordern wie fördern nachdrücklich gute Performance und Leistung ihrer Kursteilnehmer. Und so üben einige ihrer gewandten Yogī, die so manchen Yoga-Kursanbieter in den Urlaubsorten belehren könnten, einfach außerhalb für sich ihre Stellungen an den Stränden Asiens.

Wer nun auf Sinnsuche ist, wer im Asienurlaub Yoga u.a.m. betreibt, um nach Heil oder Erleuchtung zu suchen, dann aber wieder zurückkehrt und in seinen Trott verfällt, der sollte besser ein gutes Buch lesen. Denjenigen, welche der Yoga-Philosophie eher skeptisch gegenüberstehen, die sich zwar gymnastisch fit halten, doch sonst hin und wieder eher dem Irish Yoga frönen, sind die obigen Erwägungen gewidmet. Und diejenigen, welche das Leben ohnehin nicht zu ernst nehmen (ohne Nihilisten zu sein), also z.B. die Anhänger des Dudeism, für die sind die Worte Anthony Hopkins‘ genau richtig:

None of us are getting out of here alive, so please stop treating yourself like an afterthought. Eat the delicious food. Walk in the sunshine. Jump in the ocean. Say the truth that you’re carrying in your heart like hidden treasure. Be silly. Be kind. Be weird. There’s no time for anything else.

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