Die japanische Inselkette wird grob in 6 Klimaregionen aufgeteilt und zählt damit zu den klimatisch abwechslungsreichsten Ländern – von den Subtropen Okinawas im Süden bis zu den gemäßigten Kaltregionen Hokkaidos. Die Hauptinsel Honshu weist eine schroffe, aber unvergleichlich abwechslungsreiche und schöne Landschaft auf und liegt wie eine gigantische, von den tektonischen Bewegungen über Jahrmillionen zusammengedrückte Felsenklippe vor dem Asiatischen Kontinent. Dieses faszinierende Eiland befindet sich geologisch über den Rändern 4 größerer tektonischer Platten (Eurasisch, Philippinisch, Pazifisch, Nordamerikanisch) mit vulkanischen Ausflüssen auf die Oberfläche und sitzt sozusagen auf einem brodelnden Herd verschiedener Magma-Schmelzen. Das hat nicht nur die gefährlichen Erdbeben zur Folge, sondern auch beste Bedingungen für die Geothermie und somit für den Aufstieg erhitzten, mit Mineralien angereicherten Tiefenwassers an die Erdoberfläche, den Thermalquellen (japanisch Onsen 温泉), die dort, wo sie nach oben schießen, nicht nur den Menschen erfreuen, wie es z.B. die Affen von Jigokudani bezeugen.
Aus der gewalttätigen Periode Sengoku (15./16. Jahrhundert) wird vom sagenumwobenen Daimyo (大名 Lehensfürst, vgl. hierzu Kurosawas bildgewaltiges Epos Kagemusha https://t1p.de/whes) Takeda Shingen berichtet – er vertraute auf deren legendäre Heilkräfte und nutzte die Onsen seines Herrschaftsgebietes (heute Präfektur Yamanashi) zur Genesung nach der Schlacht und Entspannung vor der nächsten und sandte auch seine Krieger zur Erholung in die Berge zu versteckten Quellen (Shingen-Onsen), da sie dort vor einzelnen Angriffen seiner Feinde besser geschützt waren. Wer die Aufzeichnungen von Berufskriegern und berühmten Schwertkämpfern wie Miyamoto Musashi zu Rate zieht (The Book of five Rings … https://t1p.de/eux3/Fünf Ringe … https://t1p.de/qnsc) kann vielleicht nachvollziehen, wie mental und physisch brachial anstrengend die Vorbereitungen darauf, zu töten und getötet zu werden in jener blutigen Periode Japans waren und wird den Wunsch nach Linderung und Erholung auch mithilfe der Onsen verstehen.
Die Tradition der japanischen Badekultur in den Onsen – nichts in mediterranen, europäischen Badeorten, geschweige in Deutschland, ist damit vergleichbar – blickt auf eine jahrhundertealte Geschichte zurück und erstreckt sich in seiner Beliebtheit auf alle Schichten der Bevölkerung, wobei verhaltensauffällige oder tätowierte (vgl.u.) Charaktere die öffentlichen Bädern meiden oder abgewiesen werden. Es gilt in diesen beliebten und somit stark frequentierten Thermalbädern die Geschlechtertrennung, was sicherlich gut ist, denn drinnen herrscht pure Nacktheit. Die Besucher sollen sich, entblößt aller äußeren Hüllen, ihrer reinen Entspannung und ihren Gedanken ungestört hingeben und wer könnte dies wohl, wo Mann und Männin (Luther in seinem famosen Bibel-Deutsch 😉 ) beieinander? Allerdings findet niemand etwas dagegen zu sagen, wenn Eltern ihre kleinen Kinder unbeachtet ihres Geschlechts mitbringen. Dann und wann huscht auch schon mal eine Angestellte des Hauses mit gesenktem Blick an der nackten Männlichkeit vorbei, um Dinge auszutauschen, Wasserproben zu nehmen oder anderen kleinen Service – allerdings werden diese Damen so ignoriert, wie beim Fussball die Schiedsrichter, die ja auch nicht am Spiel teilnehmen und keine dieser Frauen offenbart eine besondere Aufmerksamkeit in der vorbeieilenden Betrachtung maskulinen Gemächts. Überhaupt besitzen japanische Frauen erstaunliche Meisterschaft im unauffälligen Rundblick, der ihnen alles erschließt, sowie Brillanz und Eleganz auf wichtigen Ebenen des Beisammenseins (https://t1p.de/caji, vgl. auch https://t1p.de/uf19 sowie den Report „Feminismus in Japan“ https://t1p.de/thy4c)
Wer im Männer-Areal ein Ganzkörper-Peeling ordert, sollte sich nicht wundern, dass diese belebende Arbeit an Haut und Muskulatur am nackten Körper in japanischen Badehäusern professionell von einer Frau in sportlichem Dress und kurzen Hosen ausgeführt wird (knappe Bekleidung deshalb, weil viel mit Wasser nachgespült und gereinigt wird). Es gibt dort manchmal einen sehr knappen papiernen Lendenschurz, doch diese Spezialistinnen wissen natürlich die empfindsamen Stellen am männlichen Leibe, welche das Licht des Tages gewöhnlich nicht zu sehen bekommen, mit kleinem Tüchlein abzudecken und diese dezent und gekonnt mit ihren geschickten Händen zu umschiffen. Sie bieten eine überaus wohltuende Behandlung, es gibt kaum mehr vitalisierendes als eine Peeling-Session mit anschließender Öl-Massage und Mann fühlt sich fast zurück in die Tage seiner Kindheit versetzt, wenn einen die Mutter oder Großmama im Badezuber wusch 😉
In den öffentlichen Badehäusern, die ich in Ungarn, Korea, Vietnam und Taiwan besuchte, wird ein solcher Service ganz im Gegensatz zu Japan gewöhnlich von Männern erledigt. Die überaus anspruchsvollen japanischen Massagetechniken dagegen werden sowohl von speziell lizensierten Männern und Frauen angeboten.
Modische Körperver(un)zierungen bzw. traditionelle Tattoos wie bei Yakuza üblich, sind in Japan in der Öffentlichkeit so gut wie nie sichtbar. Tätowierungen werden mit organisiertem Verbrechen in Verbindung gebracht und man findet sie außerhalb dessen nur manchmal bei Surfern, sie sind daher in Japan weitaus seltener als die von Seeleuten, Strafgefangenen und „Künstlern“ in der westlichen Welt verbreitete Subkultur und werden in öffentlichen Bädern grundsätzlich nicht geduldet. Auch lautstarke Unterhaltungen gibt es nicht und Telefone, sowie Rauchen, Essen und Trinken sind im Badebereich tabu. Shampoo, Lotions, Hair Tonics, After Shave, Zahnpasta – diverses Zubehör im Allgemeinen gibt es mal mehr mal weniger in diversen Onsen in recht guter Qualität. Trinkwasserspender gibt es natürlich auch, doch an besseren Getränken wie Sake und Bier, die in Japan sehr beliebt sind, ergötzt sich der Gast erst anschließend außerhalb des Badebereiches. In privaten Onsen, zu gehobenem Preise freilich, gelten natürlich besondere Regeln, da man dort nach eigenem Bedürfnis ganz unter sich ist … 🙂
Sämtliche Bekleidung und das große Handtuch für danach bleiben in der Umkleide, doch lohnt es, ein Körbchen dabei zu haben, wenn es dann zuerst zur Ganzkörperreinigung geht. Onsen und Sauna dienen in Japan der spirituellen Reinigung, nicht der kosmetischen, ähnlich wie das nächtliche heiße Bad vor dem Schlaf, und somit ist es wichtig, sich davor sehr gründlich abzuduschen/abzuschrubben. Neben ihren Utensilien für dieses gründliche Waschritual vor dem Beginn des eigentlichen Badegenusses führen die Gäste gewöhnlich ein kleineres Tuch zum Abwischen für zwischendurch, z.B. in der Sauna, oder, wie es manche handhaben, zum Verdecken der Intimitäten mit sich. Man tunke dieses Tüchlein aber nie in eines der Becken – man achte einfach drauf, wie’s die ansässigen Gäste handhaben. Ist man erst mal drinnen, wird es schwierig Fragen zu stellen, wenn man des Japanischen nur unzureichend oder gar nicht mächtig ist, denn in der westlichen Kultur bekannte Verständigungssprachen wie Englisch sind hier keinesfalls üblich. Außerhalb der Metropolen (Tokyo, Osaka, Yokohama u.a.), und einzelner Städte, in denen verhältnismäßig viele Ausländer leben, ist man nach meiner Erfahrung meist der einzige ‚Whitey‘ (dann&wann flapsig genutzte Bezeichnung für Leute mit sichtlich europäischer Abstammung). Die wichtigsten (Kanji-) Zeichen an den Eingängen sollten nicht verwechselt werden, will man nicht eine peinliche Begegnung herbeiführen (男 Mann und Frau 女).
Qualität, Größe und Anzahl der einzelnen Badegelegenheiten können von Ort zu Ort sehr verschieden sein. Die Haut des Gastes sollte auch besser ohne frische Wunde oder Narbe sein, denn schon bei einem Sonnenbrand macht sich das heiße Mineralienwasser aus dem Erdinnern an entzündeter Haut schmerzhaft bemerkbar. Der Mineralgehalt schwankt in den einzelnen Gegenden und Bädern und gilt als besonderes Labsal, weshalb sich die Leute nach vielfältigem Badegenuss am Ende vor dem Wiederankleiden zum Teil nur noch leicht mit dem Handtuch abtrocknen. Es heißt, die Mineralien dringen in die Haut und verleihen ihr eine besondere Geschmeidigkeit – ob dies nur ein Mythos ist, vergleichbar denen über Mineralien vom Himalaya oder dem Toten Meer möge nachprüfen, wer sich dafür interessiert. Bei den recht scharfen Vorschriften zur Wasserbehandlung/-entkeimung für öffentliche japanische Badehäuser ist dies heutzutage vielleicht anders. Doch die sichtbar schöne, wundervoll weiche Haut japanischer Frauen und das frische, gesunde Erscheinungsbild regelmäßiger Onsen-Besucher sind zumindest augenfällig.
In gewaltigen Zubern und verschiedensten Becken gilt es, sich den unterschiedlichen Hitzegraden hinzugeben. Von kalten Becken ca. 10-15°C für die Erfrischung und Abkühlung vor und nach dem Saunagang, geht es bis 44/45°C oder auch mal, wie der Autor aus eigener Erfahrung erinnert, in manchen Onsen bis auf 47/48°C – eine gefühlsmäßig siedende Hitze, der man mindestens mit stark geröteter Haut entsteigt. Nach dieser Prüfung kann wohl jeder den Mythos nachvollziehen, nach welchem uralte Japaner aus den Bergen nahezu kochendes Wasser trinken können. Und wer schon einmal Onsen-Tamago probierte, kann bei richtiger Gar-Methodik einen Hauch mineralischer Würze beim Genuss solcherart zubereiteter Eier schmecken.
Ein ganz besonderer optischer Genuss in verschiedenen Präfekturen (Chiba, Tokyo, Kanagawa, Shizuoka oder Yamanashi) ist der Ausblick auf den weithin thronenden Kegel des Fuji (https://t1p.de/zil5), wenn man sichs im Außenbereich in einem der Becken gemütlich macht (die Temperaturen entlang der Pazifikküste unterhalb Yokohamas fallen nur selten und kurzzeitig in winterliche Bereiche). Es erweckt in der Tat in einer nicht zu sommerlichen Jahreszeit ein berauschend amphibisches Gefühl, umgeben von heiß sprudelnden Wassern in Hülle&Fülle in einem dampfenden Bottich zu sitzen oder ausgestreckt dösend in einem felsigen Bassin im leichten Niesel, beziehungsweise noch weiter nördlich wie in der Präfektur Fukushima oder auf Hokkaido zwischen schneebedecktem Fels, auf Wolken, Berge oder das Meer zu schauen, über das Leben zu sinnieren. Erhabener kann man sich nur fühlen, wenn man, wie in Galen Winsors Schilderungen, bei kalten Nachttemperaturen im warmen, leuchtenden Abklingbecken einer Nuklearanlage schwimmt 😉
Große Badehäuser bieten zusätzlich Gelegenheiten zur weiteren Entspannung (Rasur, Massagen etc. inklusive Handtüchern und einem leichten Freizeitdress), sowie sehr bequeme Ruheräume oder auch eine angenehm heiße Steinsauna, mit abschließendem kulinarischen Vergnügen in den verschiedensten Restaurants und so vergeht ein schöner langer Tag zur erfrischenden Verjüngung.





















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